
Seminargruppe 10 an der Universität Passau
Das Rahmenthema des SF10 2025/2026 lautet: Heldinnen und Helden – damals und heute. Ein Rahmenthema, das viel Stoff für interessante Seminararbeiten bietet, denn bekanntlich begegnen uns Heldinnen und Helden nicht nur in (alten) Geschichten, sondern fast täglich in unserem Alltag. Mit dieser semantischen Bandbreite des Heldenbegriffs – vom außerordentlichen, exorbitanten Helden, wie er uns etwa in Heldenepen begegnet, bis hin zu den modernen vorbildlichen Heldinnen und Helden des Alltags – machte sich das Seminar zunächst in der ersten Sitzung zusammen mit ihrer Seminarlehrkraft vertraut. Da der Terminus der Etymologie nach nicht etwa im gesellschaftlichen Kontext zu verorten ist, sondern der frühmittelalterlichen Dichtung entstammt, liegt eine ausgehende Beschäftigung mit den Heldenfiguren des Mittelalters nahe. So lernten die Seminaristinnen und Seminaristen zunächst einen Helden des wohl bekanntesten mittelhochdeutschen Heldenepos, dem Nibelungenlied, kennen und durften feststellen, dass der Held Siegfried bereits zwei verschiedene Heldenkonzepte in sich vereint.
Mit diesem Vorwissen begaben sich die Seminaristinnen und Seminaristen schließlich nach Passau, wo das Nibelungenlied vermutlich um 1200 entstand, um einen von der Professur für Ältere Deutsche Literaturwissenschaft für das Seminar konzipierten Workshop zu besuchen.
Die Teilnehmenden wurden zunächst herzlich von Professorin Dr. Andrea Sieber sowie ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Julia Siwek im DiLab (Didaktisches Innovationslabor) begrüßt und erfuhren anschließend das Programm des Workshops. Professorin Dr. Sieber informierte zunächst über die umfangreichen Forschungs- und Handlungsfelder der Professur und stellte danach in anschaulicher Weise die Held*innen des Nibelungen-Mythos, Kriemhild und Brünhild, vor. Ausgehend von der berühmten Prologstrophe des Nibelungenlieds, die schon das thematische Programm des Epos ankündigt, erklärte sie, dass sich mittelalterliche Heldenfiguren vor allem durch Exorbitanz auszeichnen und nicht immer moralisch positiv handeln. Interessanterweise führt der Text zunächst die Heldin, nämlich Kriemhild, ein, bevor Siegfried vorgestellt wird, was zu vielerlei Spekulationen über die Entstehung des Nibelungenlieds geführt hat, wie die Nibelungen-Expertin erklärt. Danach lernte die Gruppe anhand konkreter Textstellen Kriemhild näher kennen. Auch ging die Dozentin auf die bildliche Darstellung einiger Textstellen in der einzig bebilderten Handschrift des Nibelungenlieds ein und zeigte beispielsweise die Falkentraumszene. Die darin enthaltene programmatische Liebe-Leid-Thematik erkannten die Schüler*innen sehr schnell. Anschließend zeigte Prof. Sieber auf sehr anschauliche Weise die parallel gestaltete Einführung der Figuren Kriemhild und Siegfried; ganz nach dem Motto: Dem Besten die Schönste.
Danach stellte die Professorin die zweite Heldin des Textes, Brünhild, vor, die auch Parallelen zu den Figuren Kriemhild und Siegfried aufweist. Brünhild lebt als Alleinherrscherin auf Isenstein und kann nur durch ein Kräftemessen im Wettkampf erobert werden. Die „exorbitante Heldin“, die nur durch die List Siegfrieds besiegt wird, erfährt in Worms schließlich eine Transformation, einen sozialen Abstieg. Den Königinnenstreit, der schließlich zur Katastrophe und dem Untergang zweier Völker führt, präsentierte Prof. Sieber nicht nur anhand des mittelhochdeutschen Textes, sondern auch anhand einer Szene aus Uli Edels filmischer Umsetzung des Mythos aus dem Jahr 2004. Die Seminaristinnen und Seminaristen erkannten dabei einige Unterschiede.
Den katastrophalen Schluss des Epos zeigte Prof. Sieber wieder vergleichend anhand einer Abbildung des Codex Hundeshagen sowie dem mittelhochdeutschen Text anschaulich auf.
Julia Siwek gab anschließend in einem propädeutischen Teil des Workshops sehr wertvolle Tipps zur Themenfindung. Sie zeigte den Weg von der Themenfindung zur konkreten Fragestellung auf. Die Teilnehmer*innen durften anschließend die Tipps gleich in Tandems erproben und eine konkrete themenbezogene Fragestellung entwickeln. Die Ergebnisse waren sehr vielversprechend.
Nach einer kurzen Nachbesprechung mit der Seminarlehrkraft auf dem Campusgelände nutzte so mancher Teilnehmer noch die Gelegenheit, seinen Bibliotheksausweis abzuholen, um sich demnächst mit wissenschaftlicher Literatur für die eigene Seminararbeit eindecken zu können.
Mit neuen Ideen für die eigene Seminararbeit, als Gruppe näher zusammengerückt und insgesamt „wieder a bissl gscheida“, wie es ein Teilnehmer nach original bayerisch bescheidener Manier so schön auf den Punkt brachte, machte sich die Gruppe schließlich wieder auf den Heimweg.
Abschließend an dieser Stelle nochmals ein herzlicher Dank an Prof. Dr. Andrea Sieber und Julia Siwek, die uns trotz eines streng getakteten Unitages zwischen Hauptseminar, Vorlesung und Sprachkurs diese gewinnbringende Veranstaltung ermöglicht haben.
Cornelia Hechberger, StRin

